Ökofaire Versicherungen

Eine Frau gründet die erste ökofaire Versicherung in Deutschland. Wie macht sie das? 

Im Gespräch mit Dr. Marie-Luise Meinhold, ver.de für nachhaltige Entwicklung e.G. 

Wie kommt man denn auf die Idee, einfach mal eine nachhaltige Versicherung zu gründen?

Eine muss es ja machen 🙂

Spaß beiseite, das war ein längerer Weg. Angefangen hat es mit politisch engagierten Lehrern, wachrüttelnden Journalisten, die gesellschaftliche und Umweltprobleme benannten und einem Studium der Naturwissenschaften. Das Studium hat mich die Zusammenhänge tiefer begreifen ließen und dazu geführt, dass ich nie an der Realität des Klimawandels gezweifelt habe. In mir ist der Wunsch entstanden, etwas zu tun, und zwar nicht privat, nicht im Ehrenamt, sondern beruflich, jeden Tag, jede Woche. Aber was? Im Labor irgendetwas untersuchen, was letztlich niemanden interessiert und in der Schublade versinkt? 1992 prägten die Vereinten Nationen bereits den Begriff der Nachhaltigen Entwicklung, der besagt, dass Ökologie, Ökonomie und Soziales gleichermaßen zusammen gehören. So kam ich zu den Wirtschaftswissenschaften, da schien mir mehr Umsetzung möglich zu sein. Durch eine positive Erfahrung im Zusammenhang mit der Sanierung von Altlasten kam ich zur Versicherungsbranche. Eine Hausarbeit zum Thema „Wie können Versicherungen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen?“ brachte den Durchbruch: das war es! Das will ich!

 

Und wie kommt man dann auch noch auf die verrückte Idee, genau das tatsächlich auch zu tun?

Zuerst habe ich es innerhalb der Branche versucht, ich war in Arbeitskreisen des GDV zum Thema Klimawandel und habe auch bei meinem Ex-Arbeitgeber viel angeschoben. Letztlich wurde ich aber „ausgebremst“, so habe ich das erlebt. Daraufhin habe ich meinen Ex-Arbeitgeber verlassen. In meinem Zeugnis steht sinngemäß, „sie erhofft sich mehr Erfolg für die Umsetzung ihrer Ideen außerhalb der Firma“. Mit dem neu gewonnenen Freiraum konnte ich dann die Gründung vorantreiben.

 

Was genau ist dabei das Besondere – dass Du dafür extra eine eigene Versicherung gründest?

Besonders ist, dass für nachhaltige Entwicklung ja stets Ökologie, Ökonomie und Soziales gleichermaßen berücksichtigt werden wollen. In den 80er Jahren wurde das aber fast ausschließlich als Widerspruch gesehen. Tatsächlich finde ich es auch heute noch schwer, aus so tollen Ansätzen wie von „Mutter Theresa“ beispielsweise oder „Greenpeace“ ein Geschäftsmodell zu machen. Also an diese Aktivitäten eine wirtschaftliche Logik anzuhängen. Viel einfacher ist es doch, beim Geld anzufangen und dort systematisch auf ökologische und soziale Aspekte zu achten, die damit verbunden sind. Und da Versicherungen „Geldspeicher“ sind, sind sie ein machtvolles Instrument. Diese Erkenntnis ist so besonders, dass mir dafür „kein Weg zu weit“ ist 🙂 Auch habe ich noch kein machtvolleres Instrument gefunden.

 

Es war ja bestimmt nicht leicht…Was hat Dich immer wieder angetrieben, motiviert und voran gebracht?

Ich wollte immer arbeiten, und zwar in Vollzeit, bisher habe ich das auch fast durchgängig realisiert. Meine Mutter war mit ihrem „Hausfrauen-Status“, der damals sehr verbreitet war, nicht zufrieden. Seit meiner Schulzeit wollte ich nicht einfach nur arbeiten und Geld verdienen, ich wollte immer mit meiner Arbeit etwas bewegen. Das ist eine sehr luxuriöse Einstellung, ich weiß. Heute ist es ja sehr modern geworden, Sinn in seiner Arbeit zu suchen, wie das Heft „enorm“ und andere Medien ja immer wieder darlegen. Dieser Sinn, dieses große Potential, hat mich immer wieder angetrieben, motiviert und vorangebracht.

 

Was waren die größten Hürden, die Dir dabei begegnet sind?

Am Anfang war es das Ringen um die Zulassung: Der Prozess bei der BaFin hat mich alleine 1,5 Jahre gekostet, bis ich ein Schreiben in den Händen hielt, dass die Zulassungsfähigkeit des Geschäftsmodells bescheinigt. Es fehlte „nur noch“ das Kapital. Das hatte ich mir erheblich leichter vorgestellt, mit diesem Schreiben. Doch trotz des Schreibens und der Zulassung des Modells in Aussicht ist es schwer, Investoren zu finden. Für viele Investoren sind Versicherungen ein Buch mit sieben Siegeln, damit wollen sie sich nicht befassen. Wenn doch, dann fragen sie „Wo sind denn die Bilanzen der letzten drei Jahre?“, neudeutsch heißt das „Track Record“. Die haben wir nicht, weil wir keine Versicherung verkaufen dürfen ohne Zulassung. Heutzutage ist es einfacher geworden, weil „Fintechs“ und Insurtechs“, also Start-Ups im Finanzsektor, gerade hipp sind. Aber hier nimmt man uns und mir die digitale Komponente nicht ab. Versicherungen sind aber „schon immer“ digital. Insurech-Investoren suchen echte Programmierer. Unternehmerinnen, die einfach eine Standard-Software einkaufen und die Benutzeroberfläche konfigurieren, sind ihnen zu wenig.

Und schließlich, ja, das Frauen-Thema und das Nachhaltigkeits-Thema: Investoren investieren gerne in Gründer, und das sind doch fast immer Männer, oder nicht? Und Nachhaltigkeit, ist das nicht die „Lizenz, um Geld zu verlieren“? Dieser Idealismus, den ich habe, der mich antreibt und auf den ich stolz bin, im vollen Bewusstsein, dass ich mir den auch leisten kann, der kommt bei klassischen Investoren negativ an. Sie wollen lieber hören, dass die Gründer „sich aufs Geschäft konzentrieren“.

 

Was waren für Dich die größten Überraschungen?

Eine tolle Überraschung war, dass unser Ankerinvestor dennoch in uns investieren will. Ich hoffe, dass diese Absicht immer noch steht 🙂

 

Was sind Deine persönlich größten Erfolge bis hierher?

Einige Versicherungsunternehmen, bei denen ich das Modell vorgestellt habe, haben zwar nicht investiert, sich aber dennoch bewegt. Offenbar habe ich sie aufgeschreckt, dass ich da was machen will, und sie haben das zum Anlass genommen, selbst mal was zu machen. Das sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge – ich freue mich, dass sich etwas rührt, wenn auch viel zu zaghaft für meinen Geschmack und nur am Rande. Andererseits bin ich traurig und fühle mich im Nachhinein „ausgehorcht“. Ich würde gerne wissen, wie vielen Start-ups auf der Suche nach Kapital es so geht, dass sie Teile ihrer Ideen und Ansätze bei potentiellen Ex-Investoren umgesetzt sehen.

 

Welche Art der Unterstützung kannst Du brauchen oder würdest Du Dir wünschen?

Sollte es nachhaltigkeitsorientierte Investoren geben, die nicht mehr immer nur in Kindergärten und Solaranlagen investieren wollen, die mit uns an der Wurzel des Kapitalismus was machen wollen, nämlich beim Kapital, bei Versicherungen als Kapitalsammelstellen, so würde ich mich über einen Kontakt sehr freuen.

 

Wie können wir von Geld mit Sinn e.V. Dich unterstützen?

Wir haben gerade eine Crowdfunding-Kampagne, um Geld einzusammeln und um auf uns aufmerksam zu machen. Wenn ihr die streuen oder „teilen“ könntet, freue ich mich sehr.

Interview: Nicole Rupp, Geldbeziehung.de

 

Über das Crowdfunding-Projekt von ver.de: www.startnext.de/ver-de