Investieren in die Stadt der Zukunft

Schöne, lebenswerte Städte: In und um München, ja überall in Deutschland wurde dieses Jahr intensiv darüber diskutiert, wie wir uns die „grüne Wende“ in unseren Metropolen vorstellen. Als der Münchner Klimaherbst das UN-Dekadethema „Stadt“ als Motto aufgriff, waren die Gründerinnen der Initiative GELD mit Sinn e.V. sich schnell einig, dass sie den Münchnerinnen und Münchnern die Gretchen-Frage stellen wollten: Wie finanzieren wir die Stadt unserer Träume? Gemeinsam mit der Umwelt-Akademie e.V. veranstaltete die Initiative am 12.10.2011 in der Seidl-Villa einen Vortragsabend, auf dem über Bürger-Investments als Treiber einer nachhaltigen Stadtentwicklung diskutiert wurde.

Soziales und ökologisches Wohnen

Das Wort „Investment“ beschwört bei vielen Menschen das Bild eines Großanlegers herauf, doch der erste Redebeitrag zeigte schnell, dass auch kleine Beträge für große Hebelwirkung sorgen können: Der Finanzierungsexperte Meinrad Ettengruber von der GLS Bank sprach über nachhaltige Wohnprojekte auf Basis einer ‚Leih- und Schenkgemeinschaft’. „Stellen Sie sich darunter eine Gruppe von Freunden vor, die eine zündende Idee haben, die z.B. ein altes Industriegebäude in energieeffiziente Wohnungen umwandeln wollen. Diese Menschen suchen sich für die Finanzierung einen ‚Fanclub’ von Freunden und Verwandten, die ihnen das nötige Grundkapital – aufgeteilt in viele kleine Beträge –schenken oder zu einem festen Zinssatz leihen. Wenn sich genug ‚Fans’ finden, kommt das nötige Geld zusammen, um das Projekt auf den Weg zu bringen,“ erklärte Ettengruber. Die GLS-Bank unterstützt die Gemeinschaft mit Know-how und streckt später das Darlehenskapital vor, mit dem das Projekt „angeschoben“ wird. „Auf diese Weise werden bereits Wohnprojekte, Kindergärten und Schulen finanziert,“ fasst Ettengruber zusammen.

Energiewende mit und für Stadtbürger

Wie Bürgerinnen und Bürger den Ausbau einer ökologischen Energieversorgung fördern können, darüber sprach Martin Betzold, Prokurist der Green City Energy GmbH. Das aufstrebende Münchner Energieunternehmen entwickelt Solar-, Biogas- und Windparks und wirbt für diesen Zweck von Privatanlegern Eigenkapital in Form von Beteiligungen und Genussrechten ein. Das bekannteste Erfolgsbeispiel ist das Münchner Praterkraftwerk, das von Green City Energy gemeinsam mit den Münchner Stadtwerken entwickelt wurde und an dessen Finanzierung sich im Rahmen des Kraftwerkspark I rund 1.000 Anlegerinnen und Anleger beteiligen. Gegründet wurde der alternative Energiedienstleister im Mai 2005 als hundertprozentige Tochter der Umweltorganisation Green City e.V. „Wir wollten schon damals die Energiewende und weil es uns damit nicht schnell genug ging, haben wir es einfach selber gemacht“, berichtet Betzold, der den Aufbau von Green City Energy begleitet hat. “An den weit über 200 umgesetzten Projekten haben sich mehr als 3.000 Menschen beteiligt und dadurch Investitionen von rund 150 Mio. Euro in Erneuerbare Energien ausgelöst. Aktuell können sich Anleger am Solarpark Deutschland 2011 beteiligen und mit dieser sachwertorientierten Geldanlage 6,15 % ökologische Rendite erzielen.“ Mit dem Bau wirtschaftlich und ökologisch leistungsfähiger Kraftwerke wollen wir die Demokratisierung und Dezentralisierung der Energieversorgung in Deutschland vorantreiben“, fasst Martin Betzold zusammen.

Während die meisten Erneuerbare-Energien-Projekte auf einem Acker oder einer Brachfläche entstehen, geht es bei der Solarinitiative München GmbH & Co. KG um Energie von den Dächern der Stadt. Geschäftsführer Harald Will beschrieb die Entstehung der Solarinitiative, die von der Grünen-Stadträtin Sabine Nallinger initiiert wurde. Erste Gesellschafter der privatwirtschaftlich organisierten Organisation wurden auf Stadtratsbeschluss hin die Stadtwerke mit 95 Prozent und die Stadt München mit 5 Prozent, weitere Gesellschafter haben ihre Bereitschaft signalisiert, mitzumachen. „Die Idee ist es, die ganze Stadtgesellschaft mitzunehmen und Eigentümer von Dächern aller Größen dazu zu bewegen, auf diesen Photovoltaik-Module zu installieren.“

Grüne Mobilität

„Die wichtigste Investition ist der Menschenverstand“ – mit diesem Motto begann Öko-Pionier Fritz Lietsch seinen Vortrag, eine Reise der Möglichkeiten rund um das Thema Grüne Mobilität. Münchens „dienstälteste Fahrer von Elektromobilen“ sprach von Mega-Cities in Südamerika, in denen Bürger bewaffnet mit schwarzer Farbe und Pinsel eine Radlspur von der Fahrbahn abzwackten, von Kongress-Fahrgemeinschaften und neuen Mobilitätskonzepten aus Bürgerhand. Viele dieser Projekte würden auch ohne die Mitwirkung von Großkonzernen für sinnvolle und saubere Fahrgelegenheiten sorgen, wie z.B. die E-Mobility-Experten von Smiles www.smiles-world.de, die seit Monaten mit dem CityEL (260 kg Gewicht inklusive Lithiumbatterie) von sich reden machten. „Warum soll ich zwei Tonnen Metall in Bewegung setzen, für eine Frau die gerade mal 50 Kilo wiegt?“, fragte der Öko-Unternehmer in die Runde und schloss enthusiastisch mit der Einladung: „Lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf!“

Die Stadt nachhaltig ernähren

Eine nachhaltige Stadt kann ohne Essen nicht lange existieren – deshalb sprach Jörn Wiedemann von der Regionalen Wirtschaftsgemeinschaft (ReWiG) über die nachhaltige Lebensmittelproduktion, eines von vielen zukunftsweisenden Themen, mit denen sich die ReWiG befasst. „Wir setzen uns dafür ein, regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern, in denen Verbraucher und Produzenten sich persönlich kennen und gegenseitig stützen,“ beschrieb Wiedemann die Idee hinter der ReWiG, die der Vermögensberater Anfang 2010 mit einer Gruppe von Gleichgesinnten gegründet hatte. Wiedemann berichtete über einen Gärtner in Olching, dem der Hagel die Gewächshäuser zerschlagen hatte und der sich das Geld für neue Glasscheiben mittels Genussscheinen von seinen Kunden lieh. „Die Kunden haben mitgemacht, weil sie den Gärtner persönlich kannten und weil sie Wert darauf legten, von ihm auch in Zukunft mit Gemüse beliefert zu werden“, erklärte Wiedemann die ungewöhnliche Finanzierungsaktion. In seinem Vortrag ging er auch auf die Frage ein, wie München sein Gemüse, Obst und andere Nahrungsmittel aus dem Umland beziehen könnte. Die Mehrheit der Lebensmittel in den Münchner Supermärkten wird von weither herangekarrt — auch solche, die in der Region produziert werden. Die ReWiG plant mit den Geldern ihrer Anleger mittelfristig landwirtschaftliche Betriebe zu erwerben und hat zu diesem Zweck eine Genossenschaft gegründet, die in wenigen Monaten auf 70 Anleger angewachsen ist.

„Investieren in die Stadt der Zukunft“: Dieser Abend inspirierte das Publikum in der Seidvilla zu zahlreichen Fragen und sorgte für positive Aufbruchstimmung bis in die letzten Reihen. An Handlungsmöglichkeiten mangelte es nicht: Wir haben in kurzer Zeit ein Füllhorn an Unternehmen und Projekten kennen gelernt, die maßgeblich zum grünen Wandel der Stadt beitragen und die uns viele Möglichkeiten bieten, diesen Wandel mit zu gestalten — als Mitglieder, Kunden und Bürger-Anleger.

Birte Pampel, GELD mit Sinn e.V.